Die vollkommene Freude

Samariter Christus

Du siehst. Du gehst nicht vorbei. Du beugst dich nieder.

Du rührst an. Du richtest auf. Du heilst.

Samariter Christus.

Sieh auch mich an. Komm mir zu Hilfe. Beuge dich über mich.

Rühre mich an. Richte mich auf. Heile mich.

Samariter Christus.

Du rufst uns, dass wir sehen und nicht vorbeigehen, uns niederbeugen und helfen, aufrichten und heilen zusammen mit dir.

Samariter Christus.

Grundlage ist ein Meditationsbild zur Predigt: Samariter Christus, Purpurkodex von Rossano (Syrien um 550)

Das Bild zeigt eine biblische Szene, unsere Geschichte vom barmherzigen Samariter, allerdings in einer christologischen Deutung. Schauen wir genauer hin: Da liegt einer am Boden, unter die Räuber gefallen, verletzt, verwundet, entblößt... ein Häuflein Elend, halbtot.

Der Samariter sieht den unter die Räuber Gefallenen, beugt sich zu diesem Menschen nieder, rückt das Elend dieses Menschen in die Mitte, bückt sich zum Verwundeten. Gewiss wird der Samariter nicht alleine gereist sein, er war mit einem Diener unterwegs. Denn eine zweite Gestalt hält Tücher und Schale...im Text heißt es: Öl und Wein werden in die Wunden gegossen, zur Reinigung und zur Desinfizierung. Und dann wird er auf ein Lasttier geladen in die Herberge gebracht, wie wir es eben gehört haben. Das Eigentümliche dieser Interpretation, dieses alten Bildes,: Christus selbst ist der dienende Samariter.

Der Dienst Christi ist das Hinschauen auf den Elenden; der Dienst Christi ist die Fürsorge für den unter die Räuber gefallenen Menschen, der Dienst Christi sieht im Verbinden und Lindern der Schmerzen des Verwundeten die Wiederherstellung der Würde des Menschen.

Wenn wir dieses Bild ernst nehmen, dann heißt das doch:

Christus sieht den Menschen, der dem Tode anheim gegeben, unter die Räuber gefallen ist, und erhebt ihn zu neuer Würde. Christus schaut besonders die Not und den Menschen der im Elend und im Schmutz liegt und sein Schicksal ist ihm nicht gleichgültig. Sein aufmerksamer Blick und sein Engagement gilt dem Menschen, der am Boden liegt, der keine Hoffnung mehr hat, der verschmutzt (auch durch die Sünde), verletzt und zugerichtet ist. Mit dem engelgleichen Diener lindert er, richtet er auf, und heilt den unter die Räuber Gefallenen.

Es ist schon eine wunderbare Aussage, die diesem Bild eigen ist:

Der fremde Samariter ist Christus. Wer wie Christus den unter die Räuber Gefallenen sieht, wem ein solcher Mensch eben nicht gleichgültig ist, wer sich die Hände schmutzig macht deswegen, der handelt im Dienst Christi.

Liebe Schwestern und Brüder, Bruder Jakobus Wirth hat in einem wunderbaren Wort gesagt:

„Das ist eine vollkommene Freude, meine Brüder, wenn wir stets bereit sind, einander den Dienst der Fußwaschung zu leisten. Nicht nur untereinander...wenn wir uns im Geist der Ehrfurcht und christlicher Dienstbereitschaft vor jeden Menschen hinknien, um an ihm, an seiner Not und Trübsal den Dienst Christi zu erneuern. Wir sind gekommen um zu dienen“.

Der Dienst Christi .... was ist das? Zunächst bin ich wie der unter die Räuber gefallene... ich bin elend und arm, ich habe Not und stehe im oder liege im Dunkel, ich warte, dass einer mich wahrnimmt und meine Verwundung lindert, meine Schmerzen heilt.

Christus heilt meine Not, sieht mich in meiner Verletztheit, meinen Verwundungen, will meine Nöte und meine Todesverfallenheit heilen und in einen neuen Glanz erheben. Mit Taufe und Firmung hat er jeden Christen hinein-genommen in diese heilende verbindende Gegenwart seiner Herrlichkeit.... sehen sie den Glanz in seiner Person, aber auch der ihm helfenden zweiten Person, sie ist ebenso in goldener Mandorla und engelgleich.

Wenn wir von Christus so erhoben, verbunden, befreit sind, sind wir Gesandte an Seiner Stelle, sollen wir den Dienst Christi, der der Dienst der Fußwaschung ist, erneuern.

Das Elend des Menschen und seine Not sehen, zupacken, lindern, verbinden, heilend für neues Leben sorgen.

Dabei geht Bruder Jakobus davon aus, dass jeder, der solches christliches Handeln erfahren hat an sich selbst zu einer persönlichen Liebesantwort drängt, den Fußwaschungsdienst, den Samariterdienst an anderen Menschen zu leisten.... und darin die vollkommene Freude zu finden. Wenn die Franziskanerbrüder heute ein Krankenhaus tragen, Behinderte pflegen und in Ihren Einrichtungen eintreten für das beschädigte Leben, dann wollen sie die eigene Existenz, die so von Christus aufgerichtet und geliebt ist, in den Dienst des beschädigten, unter die Räuber gefallenen Menschen stellen: das ist die vollkommene Freude...eben nicht Reichtum, weltliche Pracht, Macht und Geld, sondern das Eintreten und die Fürsorge für das unheile, unter die Räuber Gefallene oder verletzte Leben des Menschen ist Christi Dienst, den wir bezeugen, der groß macht und Frucht wachsen lässt für die ewige Ernte. Das kommt nicht zum Christentum dazu sondern ist Christi Dienst am Menschen.... Kernaufgabe oder Kernkompetenz... in moderner Sprache gesagt.

Bruder Jakobus meint darüber hinaus, darin die vollkommene Freude zu finden, eben darin Christi Willen zu erfüllen. In einer Kirchenstunde, in der, wenn ich das recht sehe, manche meinen, Caritaswerke, Krankenhäuser oder Heime seien nicht zutiefst und zuerst christliche Kernaufgabe, muss dies in Erinnerung gebracht werden, dürfen wir nicht müde werden, auch innerkirchlich den Dienst Christi anzumahnen, der eben nicht allein in Predigt, Verkündigung, Gebet und Meditation geschieht, sondern anpackt, Not sieht, aufrichtet, heilt, zu neuem Leben verhilft.

Vielleicht wollen Sie sich aber doch nicht mit Christus identifizieren.... Sie mögen denken so makellos und rein bin ich nicht. Nein Christus ist der Herr, ich bin eher wie ein kleiner Diener, wie Ignatius von Loyola bei seinen Exerzitienbetrachtungen zum Weihnachtsgeschehen meint. Vielleicht wollen Sie lieber wie der gute Engel an der Seite des Samariters, der Christus ist! Zeuge und Zeugin werden für wiedergeschenkte Würde, Heilung und neues vertrauensvolles Leben, das wachsen kann.... Manchmal möchten sie der gute Engel sein, der Wege weiß aus Not und Elend, der zur Stelle ist, wenn verbunden wird, der assistiert, wenn Christus Größeres wirken will.

Nun denn, Bruder Jakobus Wirth macht Mut, den Dienst Christi wirklich aufzunehmen.... mit dem Samariter Christus einzutreten für das unheile verletzte Menschenleben und so Christi Dienst zu erneuern.

Ulrich Laux, Krankenhauspfarrer in Bad Kreuznach

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