Festpredigt zum 175. Geburtstag von Br. Jakobus

Liebe Franziskanerbrüder, liebe Schwestern und Brüder!

Br. Jakobus, der Stifter der Ordensgemeinschaft der Franziskanerbrüder vom Heiligen Kreuz, wurde als jüngstes von vier Kindern der Eheleute Theodor und Anna Katharina Wirth geboren. Sein Vater war Schafhirt und seine Mutter betrieb eine kleine Schänke.

Bruder Jakobus wuchs in Niederbreitbach im unteren Wiedtal auf. Als er neun Jahre alt war, starb sein Vater und ein Jahr später seine Mutter. Fortan lebte er bei seinem Onkel Andries, der Dorflehrer in Niederbreitbach war. Da er seinem Onkel in der Schule immer wieder auch beim Unterricht für die jüngeren Schüler half, wurde er auch „Schulpeter“ gerufen.

Gerne wäre auch er Schullehrer geworden, was jedoch bei den begrenzten finanziellen Möglichkeiten der Familie nicht zu Verwirklichen war. So erlernte er schließlich das Schusterhandwerk. Diese Zeit war auch dadurch geprägt, dass die Kirche in Europa nach Tagen der Unterdrückung einen neuen vielgestaltigen Aufbruch erfuhr.

Auch im Leben des Peter Wirth gewann die religiöse Dimension mehr und mehr an Bedeutung und konnte sich unter der Mitwirkung Gottes und verschiedener Menschen weiterentwickeln und reifen. Prägend waren für ihn und seine spätere Gründung die Begegnung mit den Franziskanern und ihrer lebendigen Spiritualität. Die ersten Schritte in einer eigenen Gemeinschaft, die jedoch die Form einer Handwerkervereinigung auf geistlichem Fundament hatte, waren der Beginn einer unausdenkbaren und nur durch Gottes Führung möglichen Gründungsgeschichte.

Oftmals fehlte es in diesen Jahren am Nötigsten und so konnten sie diesen Weg nur beschreiten, weil sie darauf vertrauten, dass Gott es am Notwendigen nicht fehlen lassen würde, wie Bruder Jakobus selbst niederschrieb.

Bald jedoch spürten die jungen Menschen dieser Handwerksgemeinschaft, dass ihnen ein ordnendes Fundament, eine Lebensregel fehlte.

Aus dieser Erkenntnis heraus, dass eine Gemeinschaft auf Dauer nur Bestand haben kann, wenn die tief im Innern des Menschen lebenden Visionen sowohl einen formulierten Rahmen als auch ein glaubwürdig gelebtes Beispiel haben, schrieb er eine erste Regel und bat den Bischof von Trier um die Erlaubnis eine Brüdergemeinschaft gründen zu dürfen.

Am 12. Juni 1862 war es nun soweit, Br. Jakobus und Br. Antonius erhielten in der Kreuzkapelle an der Wied im Rahmen eines Gottesdienstes das Ordenskleid und legten ihre Gelübde ab. Zuvor hatte der damalige Pfarrer von Waldbreitbach, Jakob Gomm, in einem Schreiben den Bischof Arnoldi von Trier gebeten der Gründung dieser Brüdergemeinschaft zuzustimmen.

Bruder Jakobus selbst schreibt, welch große Freude die Zustimmung des Bischofs und damit der Kirche bei ihm und Antonius Weber aus Rossbach, seinem ersten Mitbruder, ausgelöst hat. Die Gemeinschaft der Franziskanerbrüder vom Heiligen Kreuz war nun errichtet und schon bald führte Gott der jungen Gemeinschaft weitere Brüder zu.

Ein Jahr später nun erhielt auch Margareta Flesch die kirchliche Erlaubnis zur Gründung ihrer franziskanischen Schwesterngemeinschaft, die ebenfalls die Kreuzkapelle ihre Gründungsstätte nennt.

Bruder Jakobus selbst war es nicht vergönnt, seine Gemeinschaft lange Zeit zu führen und ihr Wachsen mitzugestalten. In den Jahren seiner Berufung, der Leitung und mit seiner überzeugenden Lebensführung hatte er seinen Mitbrüdern jedoch eine prägende Richtung gewiesen, die bis in die heutige Zeit Orientierung gibt und die Sendung der Gemeinschaft prägt.

Als 1871 eine Pockenepidemie ausbrach, schickte er seine Mitbrüder in die Häuser zu den Kranken. Er selbst schonte sich nicht, infizierte sich bei deren Pflege und starb am 28. März 1871. Br. Jakobus wurde erst auf dem allgemeinen Friedhof von Waldbreitbach bestattet. 1957 übertrug man seine sterblichen Überreste in die Turmkapelle der Klosterkirche in Hausen/Wied. Sein Grabmal ist nun ein Ort des fürbittenden Gebetes.

Als Christen leben seine Brüder in der Zuversicht, dass Br. Jakobus bei Gott ist. Sein Zeugnis aber lebt weiter in seiner Gemeinschaft, den Mitarbeiterinnen, Mitarbeitern und Freunden. Sein Vermächtnis  ist ablesbar in seinem Leben und er hat es einmal so formuliert: „Das ist eine vollkommene Freude, meine Brüder, wenn wir stets bereit sind, einander den Dienst der Fußwaschung zu leisten. Nicht nur untereinander… Wenn wir uns im Geist der Ehrfurcht und christlicher Dienstbereitschaft vor jeden Menschen hinknien, um an ihm, an seiner Not und Trübsal den Dienst Christi zu erneuern. Wir sind gekommen, um zu dienen.“

Es gibt Situationen, liebe Schwestern und Brüder, in denen sich der Charakter eines Menschen ganz und gar offenbart. Meistens unerwartet; oft, wenn ein besonderer Druck entsteht; wenn ich spontan und ohne viel Anlauf reagiere, dann bin ich echt. Dann kommt zum Vorschein, was in meinem Inneren lebt, was mich eigentlich treibt, wie ich denke und empfinde. "Damals, in dieser oder jener Situation" - heißt es dann - "da hab ich ihn kennen gelernt!" Und - soviel wissen wir alle - das kann eine überraschend positive Offenbarung sein, aber auch sehr ernüchternd und enttäuschend - beides ist möglich.

Jesus wird heute im Evangelium in eine solche Lage gebracht; nicht unabsichtlich und zufällig, sondern geplant und mit der klaren Absicht, sein Ansehen unter den einfachen Leuten zu demontieren. Darf ich es einmal etwas gewagt formulieren: Wir Christen müssen den Schülern der Pharisäer und den Anhängern des Herodes im Grunde sogar dankbar sein für ihre Hinterlist, denn sie gibt uns die Gelegenheit, Jesus kennen zu lernen, wie er wirklich ist; auf den Punkt zu bringen, was ihn umtreibt, was ihm wesentlich ist. Diese Szene hilft uns dazu, unser ganz persönliches und kirchliches Bild von Jesus zu vervollständigen - und so unseren Glauben auf eine sichere Basis zu stellen.

Wie also präsentiert sich Jesus in dieser brenzligen Lage?

Das erste ist: Jesus lässt sich von der langen Schmeichelrede seiner Gegner nicht beeindrucken; er ist unbeugsam wahrhaftig und lehrt seine Jünger diese Wahrhaftigkeit. So erscheint er als der Gerechte, wie ihn das Alte Testament in vielen Psalmen als Gott wohlgefällig schildert. So heißt es im Psalm 119: "Gott, ich will deiner Weisung beständig folgen; nach deinen Urteilen hab ich Verlangen. Ich wählte den Weg der Wahrheit. Frevler legen mir Schlingen, aber ich irre nicht ab von deinen Befehlen. Meine Seele beachtet, was du gebietest, und liebt es von Herzen." Ja, darin ist Jesus für uns Maßstab, liebe Schwestern und Brüder, in einer Zeit, in der die Wahrheit Gottes es schwer hat durchzudringen in die Herzen der Menschen.

Das zweite ist: Jesus bleibt sich und seinem Auftrag treu. Er ist dazu gekommen, die frohe Botschaft vom Anbrechen der Herrschaft Gottes für alle Menschen zu bezeugen. Die Freiheit der Gotteskinder - das ist sein Kriterium in allem Reden und Tun, bei allen Fragen und Problemen, mit denen er konfrontiert wird. Jesus ist klar, ist sich seiner Sendung klar, darum kann er die Doppelzüngigkeit seiner Gegner aufdecken: Er selbst trägt keine Steuermünze bei sich; die aber, die sich als die Gottesfürchtigen und Frommen ausgeben, die haben die Währung des Kaisers in der Tasche. Er selbst, Jesus, kennt allein die Währung des Glaubens: die Armut, den Gehorsam gegenüber Gott und die Reinheit des Herzens.

Hier wohl liegt die Berufung von Bruder Jakobus Wirth zutiefst begründet: Dass er in früher Jugend schon den Ruf in sich verspürt hat, in seinem Leben das Bild Gottes darzustellen.

Laurentius von Brindisi sagt einmal: Wir sind geschaffen als Abbild Gottes, ihm ähnlich (vgl. Gen 1,26). Du, mein Christ, bist ein Mensch; du bist also eine Münze aus dem göttlichen Schatz, du bist ein Denar mit dem Bild und der Aufschrift des göttlichen Herrschers. Mit Christus frage ich dich: "Wessen Bild und Aufschrift ist das?" Du antwortest: Es ist Bild und Aufschrift Gottes. Dann frage ich weiter: Warum gibst du dann Gott nicht, was ihm gehört?

Ja, liebe Schwestern und Brüder, diese Klarheit: zu leben, wovon ich überzeugt bin; meinem Glauben Platz zu geben auch in den versteckten Kammern meines Herzens; die Klarheit wünsche ich mir als Gabe und Gnade von Gott.

Und noch ein drittes: Jesus lässt sich nicht einfach von einer politischen Gruppe und ihren Überzeugungen vereinnahmen; nicht von den Kollaborateuren, die die bestmögliche Situation für das eigene Volk aus der Zusammenarbeit mit Rom erhoffen, und nicht von den Zeloten, die den Aufstand planen, um das römische Joch gewaltsam abzuwerfen. Er tritt ein für Werte, für den Menschen, für das Leben, für die Freiheit, für die Armen, für das Ansehen Gottes unter den Menschen – ich möchte sagen: So wie Bruder Jakobus gelebt hat und wie er an seinen Nächsten, an Menschen im Elend zu handeln bestrebt war.

 Ja, liebe Schwestern und Brüder, als Christen stehen wir immer neu vor Entscheidungen, sind herausgefordert zur Mitgestaltung und Stellungnahme zu Entwicklungen innerhalb der Gesellschaft und ihres Wertebewusstseins - und dürfen nicht schweigen. Noch einmal will ich Laurentius von Brindisi zitieren, wenn er sagt: Wer also in seinem Leben und Verhalten, wer in seinem Tugendwandel Christus ähnlich und gleichförmig ist, der stellt wirklich das Bild Gottes dar; die Erneuerung dieses göttlichen Bildes aber vollzieht sich durch die vollkommene Gerechtigkeit: "So gebt dem Kaiser, was dem Kaiser gehört, und Gott, was Gott gehört!" Gebt jedem, was ihm gehört! Bei all unserem Tun und Entscheiden sind wir immer gerufen Maß zu nehmen an der Dimension der Wesentlichkeit - die Gottes Willen zu ergründen sucht und sich ihm verpflichtet weiß, - um so wirklich das Bild Gottes darzustellen und so Gott zu geben, was ihm gehört!

Je mehr ich über die Szene nachdenke, die uns das Evangelium heute präsentiert, liebe Schwestern und Brüder, um so glaubwürdiger erscheint mir, was Jesus im Johannesevangelium für sich selbst in Anspruch nimmt, wenn er sagt: "Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben" (Joh 14,6). Und je mehr ich über diesen Jesus nachdenke und ihm zu folgen suche, um so deutlicher wird mir: Ja, ich will mich ihm anvertrauen. Mit meinem ganzen Leben bin ich bei ihm gut aufgehoben. Bruder Jakobus ist denen, die sich bis heute der Gemeinschaft der Franziskanerbrüder vom Hl. Kreuz angeschlossen haben und einem jeden, der wahrhaft Christ sein will, darin ein Vorbild.

Jörg Michael Peters, Weihbischof des Bistums Trier anlässlich des Festgottesdienstes zum 175. Geburtstag von Br. Jakobus Wirth in Hausen / Wied.

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