Br. Jakobus Wirth: „Gedenkt, dass ihr mitten in einer Aufgabe steht, die den Menschen von Gott erzählen soll.“

Für mich besteht das Geheimnis des Lebens gerade auch darin, dass alles Leben im  Kleinen, im Unscheinbaren beginnt und seinen Anfang nimmt. Auch Gott wählt für seine Wege mit und Menschen, ja für seine eigene Menschwerdung diesen Weg der Unscheinbarkeit. In Jesus lässt Gott uns erfahren wie Mensch-werdung aus Armut und Not geschehen kann. Leben ist „Weg zum Ganz-werden“, ist Wachsen und Reifen, ist letztlich Heimhehr zum Ursprung.

Die Erinnerung Bruder Jakobus Wirths, die ich diesen Gedanken vorangestellt habe und die er uns auch heute ans Herz legt, hat von ihrer Aktualität nichts verloren. Ich meine sogar, dass sie bei der Informations- und Medienvielfalt unserer Zeit noch an Bedeutung gewonnen hat.

Wir sollen durch unser Sein und Tun von Gott erzählen, Gottes Zuwendung den Menschen erfahrbar werden lassen. Ein solches Tatzeugnis ist jedoch nur glaubhaft, wenn es aus einem Überzeugten Da-Sein und Mit-Sein lebt. Wenn Erzähltes sich nicht im Gelebten wieder findet, dann wird berechtigter Weise gesagt: „Du kannst mir viel erzählen.“

Manchmal hat es heute den Anschein, dass wir in einer Zeit leben, die von der „Wohnungsnot“ Gottes geprägt ist. „Herbergsuche“ unter veränderten Gegebenheiten bleibt die Herausforderung der Kirche und Gesellschaft. Gott klopft auch heute an die Türen unserer Welt und unseres Herzens. Auch wir sind gesandt auf dieses Klopfen hinzuweisen und es durch unser gelebtes Zeugnis hörbarer zu machen.

Das Anklopfen Gottes geschah auch in der Unscheinbarkeit und Verborgenheit des Lebens von Peter Wirth. Er selbst wusste aus eigener Erfahrung um das Schicksal der Wohnungsnot, kannte Herbergssuche für Leib und Seele. Sein Leben war geprägt vom Vorläufigen und Vorübergehenden. Damit ein solches Leben im Übergang gelingen kann – in seinen etwas mehr als 40 Lebensjahren wechselte er achtmal die Wohnstätte – und nicht zur Entwurzelung führt, muss der Mensch einwurzeln in dem, was ihm Halt gibt, in jemandem der verlässlich da ist.

Wir alle sind Pilger auf dem Weg und leben im Vorläufigen. Diese wesentliche Grundhaltung prägt uns Christen und die Kirche selbst, schenkt Bereitschaft zu Umkehr, Auszug und Neuanfang. Aus der Erfahrung der eigenen Ungeborgenheit, die die Kindheit und Jugend Bruder Jakobus’ geprägt hat, erwächst sein Lebensauftrag, den Waisen und Armen Obdach für Leib und Seele zu geben. Er nimmt sie auf in sein haus und sein Herz, gibt ihnen Heimat und befähigt sie, ihr Leben eigenständig und in Würde zu leben.

Sein Vermächtnis an uns ist auch, dass wir den Menschen achtsam begegnen, die Würde eines jeden achten und sie zum Leben ermutigen.

Unsere Möglichkeiten durch unser Sein und Tun den Menschen von Gott zu erzählen, sind sicherlich begrenzt und von manch schwieriger Frage begleitet. Meine Erfahrung ist jedoch auch, dass wir immer wieder aufmerksamen und fragenden „Zuhörern“ begegnen. Dabei müssen wir uns bewusst sein, dass die Annahme einer Botschaft wesentlich von der Glaubwürdigkeit des Boten abhängt. Als Christen leben wir in der  Verpflichtung, die Botschaft des Evangeliums glaubwürdig zu bezeugen in Wort und Tat, im Da-sein und Mit-sein. In unserem Leben muss ablesbar sein, wofür wir stehen und für wen wir unterwegs sind.

Mein Mitbruder, Pater Hermes Turwitt hat einmal geschrieben: „Wir müssen uns immer wieder gegenseitig neu ermutigen, in unsere Tagwerk den Faden tatenfrohen Glaubens hineinzuweben.“

Einander zu ermutigen, dies scheint mir heute mehr den je unsere sehr spezifische Aufgabe zu sein. Wir sind  aufgerufen einander und en Menschen unseres Lebens Ermutigung zum Leben, zu Auszug und Neuanfang zuzusprechen.

Br. Ulrich FFSC

Wort des Generalsuperior zum 175. Geburtstag von Br. Jakobus Wirth 2005, leicht gekürzt.

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Schmitz, Br. Ulrich: Geboren 1955 am Niederrhein, Berufsausbildung, 1978 eintritt im Orden der Franziskanerbrüder vom Heiligen Kreuz, Ausbildung zum Heilerziehungspfleger, Tärigkeit in der Hausleitung, Novizenmeister, Generalsekretär, seit 2002 Generalsuperior seiner Gemeinschaft , INFAG-Vorstand u.a.