Alles zur größeren Ehre Gottes

Ich bin auf Wanderschaft durch den Vogelsberg. Ein schöner Weg führt mich zwischen sanft fallenden Hügelketten, umsäumt von Wäldern und Hecken, über weite Wiesen und Matten. Hinter einer Anhöhe schauen vorwitzig ein paar Dächer hervor. Auf den Wanderer wartet ein schmuckes Dörfchen mit alten Fachwerkhäusern. Wie es so vielerorts Brauch ist, stehen auf manch einem der Querbalken Sprüche geschrieben: „Gott segne dieses Haus, und die da gehen ein und aus“ oder „Dies Haus gehört nicht dem Erbauer, noch dem der hier wohnet heuer, auch zukünftige Bewohner, sind nur Gast hier und auf Gottes Erde.“ Und dann, über einem kunstvoll geschnitzten Türsturz: „Alles zu größeren Ehre Gottes“. Ich bin irgendwie angesprochen von diesem Leitspruch. Er scheint mir zwischen all den Anderen heraus zu ragen. Alles zur größeren Ehre Gottes.

Unser Ordensgründer, Br. Jakobus Wirth schreibt in seinen Ermahnungen: „Seid besorgt, dass alles Schaffen und Wirken der Brüder und alles, was nur in der Genossenschaft (d.h. Gemeinschaft) geschieht, zur Ehre Gottes, […] zu eines jeden Bruders Seelenheil und zum Heil und zum Wohl des Nächsten, in Bezug auf Gott, geschehe.“ Was das wohl heute meinen könnte? Und wie bewerkstelligen? Ich meine, mein Alltag schaut, selbst als Ordenschrist, oftmals sehr profan aus – gewöhnlich gefüllt mit tausend Dingen: Kloopapierkaufen und Wäsche bügeln, das Auto tanken und Akten ablegen, bei irgendwelchen Sitzungen die Zeit absitzen, rasch ein paar Telefonate erledigen … die Ehre Gottes schein da weit weg.

Und doch ist da auch eine große Sehnsucht, etwas vom Göttlichen in den Alttag hinüberzuretten. Dem tagtäglichen Tun ein sinnhafter und unvergänglicher Nachhall zu schenken.

Als ich neulich in einer Runde darüber sprach, kahmen wir überein, dass der Anfang dazu in einem entsprechend geschärften Blick liegt. Wir kommen, wohin wir schauen, sagte ein Dichter sehr treffend. Und was zählt Jakobus Wirth auf? Alles was in der Genossenschaft geschieht, alles was im Miteinander der heutigen Dienstgemeinschaft getan wird, soll zu Gottes Ehre sein. Er konkretisiert, das ganze Tun und Lassen, bringe Heil und Wohl, dem der es tut und jenem dem es geschieht. Ist das nicht schon eine klare Ansage für unsere Blickrichtung? Ich meine, Br. Jakobus legt uns da einen sehr präzisen Maßstab in die Hand, der obendrein noch ausgewogen ist. Unsere Arbeit, das Schaffen und Wirken in Altenheim und Krankenhaus, in der Eingliederungshilfe und Verwaltung, hinter den Kochtöpfen oder den Bildschirmen, sie dient dem Kunden, dem Patienten, kranken, alten oder beeinträchtigten Menschen. Um deren Wohl, Heil und Heilung geht es. Aber, und da wird mir unser Ordensgründer besonders sympathisch, auch um mich, um uns, die wir uns einsetzen, die tägliche Arbeit stemmen. Ich denke, Br. Jakobus hat da etwas sehr wichtiges von unserem Gott verstanden, dass dieser nie nur ein Einzelinteresse ins Auge fasst, dass es ihm um ein ausgewogenes, gesundes Miteinander geht. Keiner soll Unheil erfahren. Dann, leuchtet um so heller die göttliche Spur im Alltag auf. Im Herstellen dieser, seiner guten Ordnung, ehren wir ihn. Dann gilt: Alles zur größeren Ehre Gottes.

Schön und gut, mag manch Leser ein wenden, aber noch ist die Welt nicht der Himmel. Ja, das ist sie nicht und wird sie auch nicht werden. Aber uns ist die christliche Zusage gemacht, dass das göttliche Heilsreich bereits angebrochen ist, mitten unter dem so ganz unhimmlischen, mitten im Alltagseinerlei. Dies nicht nur als entrückten Glaubenssatz zu nehmen, fällt nicht leicht. Auch darüber unterhielten wir uns in der erwähnten Runde. Im miteinander Reden über Realität und Begrenzung aber auch von Durchbrüchen und hilfreichen Erfahrungen, bestätigte sich, wie wichtig eine überlegte Blickrichtung ist. Wir kommen tatsächlich dorthin, wo wir hinschauen, wohin unsere Ausrichtung, unsere Sensoren gerichtet sind. Die brauchen zuweilen etwas Korrektur, bei mir ist das jedenfalls so, wie bei der Satellitenschüssel nach dem Herbststurm, ist ein neues Justieren der Ausrichtung schon mal angesagt. In unserer Runde brachte einer ein Gedanke von David Steindl-Rast ins Gespräch. Der Benediktinermönch hat einen Trick gefunden, wie er sich einen neuen Blick auf den Alltag einübt. All abendlich geht er in Gedanken seinen Tag durch und stellt sich ihn als Wiese vor: mit Blumen und Gräsern, Unkraut und Dornen … dann greift er eine Blüte, ein besonderer Moment, heraus um ihn dankbar ins Licht zu halten. Ich fand dies ein geschickter Zug, den eigenen Blickwinkel zu trainieren. Es funktioniert, probieren Sie es aus!

Als von 150 Jahren Br. Jakobus Wirth seine Ermahnungen niederschreibt, da hat er seine kleine Gemeinschaft im Blick und wünscht sich, dass in dem, was sie tut, von Heilshandeln Gottes etwas deutlich werde. Es geht um Heil und Heilung, die Arbeit, das Tun und Lassen, sie sollen sich einfügen in den Grundgedanken, dass die Güte und Barmherzigkeit Gottes Entsprechendes für uns jeden will. Wenn er gar von Seelenheil spricht, wird mir deutlich, wie vielschichtig Jakobus das Anliegen versteht. In seinem Verständnis endet die Inblicknahme nicht bei der guten Versorgung, dem wohlwollenden Umgang, der wertschätzenden Art … jede und jeder soll in seinem ganzen Sein, wir sagen landläufig mit ‚Leib und Seele’, als ganzheitliche Person wahrgenommen werden, sich einbringen und entfalten können. Deswegen hat die Suche von Gottesspuren im Alltag in der Regel einen interessanten Effekt: Wir stellen fest, dass sich der Ort des göttlichen Heiles in zwischenmenschlichen Begegnungen, an Mitmenschen, ereignet. Und das ist ganz gut so, im Schauen auf das Göttliche im Mitmenschen kommen wir zum Menschen wie zu Gott.

Am Ende meiner Wanderung durch den Vogelsberg stand eine Andacht, da sangen wir ein neues geistliches Lied, es berichtet: „Wir haben Gottes Spuren festgestellt, in unseren Straßen …“ Ja, ich habe Gottes spuren festgestellt, und finde täglich neue, in meinem Alltag, mitten auf meiner Station, bei der Arbeit, unverhofft zwischen der Hektik oder erwartet im Gespräch mit lieben Menschen … Hand aufs Herz, ich darf kräftig mitsingen, den in meiner abendlichen Wiese blühen so viele Blumen, sodass auszuwählen nicht leicht fällt.

Br. Michael Ruedin FFSC in: Pax et Bonum 2/12

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